Pandemie der Automation

Falsche Propheten, die uns im Internet versprechen, dass Maschinen unsere Arbeit übernehmen, damit wir endlich selbst kreativ sein können und alles tun dürfen, was wir wollen: wir werden mit Grundeinkommen versorgt und sehen einer humaneren Zukunft entgegen. Dieses Vesprechen ist nicht einmal eine Fiktion, sondern Betrug. Für fast 8 Mrd Menschen, von denen alle unterschiedlichste Fähigkeiten und Kenntnisse besitzen, kann dies niemals so funktionieren. Nicht, wenn die Anbieter dieser Ideologie inzwischen das meiste Kapital und damit den Planeten besitzen.

Nach meinem Twitter-Rückzug erreichten mich besonders von Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland viele Nachrichten, nicht völlig die NutzerInnen aufzugeben, die gerade in diesen Zeiten an brisanten Themen arbeiten, um Skandale, Korruption oder Missachtung von Menschen- und Arbeitsrechten aufzudecken und in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. Es waren angsterfüllte, sehr verzweifelte Botschaften darunter. Das hat mich stark mitgenommen. Nach 30 Jahren im Job, bezweifel ich, ob Offenlegungen in der Presse irgendeinen Effekt hätten, solange die meisten Menschen weltweit in der Mentalität verharren, jede illegale Handlung in Politik & Wirtschaft müsse man ohnehin akzeptieren, um nicht selbst Opfer dieses Systems zu werden. Mag sein, es demonstrieren echte Leute, die jedoch Hashtags Folge leisten. Sie kehren ins Netz zurück, warten auf die nächste Empörungsbewegung online und helfen den Firmen im Netz damit mehr, als am eigentlichen Grundproblem der Digitalisierung etwas zu ändern. Ich persönlich bin davon überzeugt, dass diese Mentalität falsch ist, denn sie spielt jenen in die Hände, die einen unmoralischen Profit auf Kosten der Arbeiter abschöpfen. Sie beuten inzwischen weltweit nicht nur Resourcen des Planeten aus, zerstören Landschaften, betreiben Menschenhandel und legitimieren das Arbeitssklaventum wie nie in der Geschichte unsere Spezies zuvor; ihr gesamtes Netzwerk basiert auf Ausbeutung aller, die digitale Inhalte für sie produzieren. Der Lohn für uns wird sein, dass unsere kreative Leistung und unsere altruistische Lebensweise bedeutungslos werden. Gerade, und mit dieser Pandemie.

Seit über 15 Jahren gelte ich als kritische Betrachterin der Digitalisierung und deren Macher & Profiteure, auch - oder gerade deshalb - weil ich eben durch keine Zeitung oder einen Verlag - eine Partei oder Gruppe verpflichtet bin, einer Doktrin zu folgen. Grundsätzlich zieht in unsere Welt eine Terminologie ein, die auch unser Denken bereits einschneidend verändert hat. Nicht zum Besseren! Dass wir plötzlich mit Begriffen wie "schwarz" versus "weiß" in den deutschen Medien Menschengruppen gegeneinander aufwiegeln, folgt einer Methode, und hat am wenigsten mit der Absicht zu tun, Diskriminierung abzubauen oder Arbeitsbedingungen für Minderheiten zu verbessern. Diese aus den USA stammenden Hashtags und Leitmotive (Keywords) verfolgen den Zweck, möglichst alle Nutzer global unter einem bestimmten Digitalkonzept zu vereinen; denn es geht um Joint Ventures großer Unternehmen, Aktienhandel und die unfassbar großen Geldbeträge oberhalb der Nutzerebene. #Movements sind Werkzeuge, die mittels 'Gutem Zweck' Spenden sammeln: gerade jetzt, angeblich "im Kampf gegen Corona" . Wer logisch denkt, muss sich fragen: wenn der Welthandel so am Boden ist, wieso sammelt die 'European Commission' Geld für US-NGOs? Nichts im Moment folgt einer humanitären, beweisbar uneigennützigen Richtlinie, weil eben kein Geld da ist, gerade nicht bei BürgerInnen eines Landes, die ebenfalls monatelang keine Einkünfte hatten. Was verteilt wird, sind unsere bezahlten Steuern, unsere Arbeit. Logik hilft in Zeiten wie diesen, pragmatisch klar zu sehen und zu erkennen.

Herr Tönnies, hoch motiviert im Interview, spricht gar vom 'Revolutionieren seiner Branche', nachdem 1000+ Mitarbeiter mit Covid-19 infiziert sind: sein Unternehmen wird mit Sicherheit, auch ohne ihn im Aufsichtsrat, Automation in der Schlachtung und Verarbeitung von Fleisch- und Wurstwaren einsetzen, gerade nach diesen Vorfällen. Deshalb geht es unseren PolitikerInnen so leicht über die Lippen, Werkverträge abzuschaffen; sie werden sie nicht mehr brauchen. Die Nahrungsmittelindustrie wird die erste sein, die sich von Menschen als RisikoarbeiterInnen trennen wird. Danach kommen LagerarbeiterInnen, LogistikerInnen, Reinigungspersonal; alle in der industriellen Produktion. Inzwischen amortisieren sich stetig in der Herstellung günstiger werdende KI-Module und Maschinenprozesse innerhalb kürzester Zeit. Anders als noch vor zwei Dekaden, sind Lohnkosten zu dem eigentlichen Hemmschuh des Superwachstums geworden. Die Pandemie "Corona" ist der beste Vorwand, aus Industrie & Handel, langsam aber sicher Automation und Entlassung von Arbeitskräften voranzutreiben. Laut unserer Recherche ist es eher wahrscheinlich, dass man nicht Millionenbeträge in die Forschung gesteckt und Fundings zu KI & Robotik an die Börse gebracht hat, um Menschen nach "Corona" wieder regulär zu beschäftigen. Man kann nicht jede/n in Fortbildungen oder Umschulungen unterbringen, mit dem Versprechen, sie aus dem Produktionsbereich einfach in den digitalen Protokollierungs- oder Werkzeugsteuerungsbereich zu versetzen: es braucht eben nur einen Bruchteil an Maschinenbedienern. Dass Tiere zukünftig aufgrund der besseren Hygiene durch Maschinen zerlegt werden, mag sogar humaner und sicherer klingen, aber gerade diese Art der schnellen Verarbeitung und Produktion wird uns nicht von den Mängeln der Massentierhaltung wegbringen, es könnte sogar noch schlechter werden.

"alternative production elements that remove the human element of virus transmission" - kein Auszug aus einem George Orwell oder Stephen King Roman, sondern tatsächlich ein Text eines Tech-Start-Ups der University of Stanford in den USA: (Quelle: https://techcrunch.com/2020/06/30/rios-comes-out-out-stealth-to-announce-5m-in-funding-for-industry-agnostic-robotics/?tpcc=ECTW2020)

JournalistInnen kehren der Recherche nicht den Rücken, bloß, weil sie irgendwelchen Tools, die ohne aktive Keywords keine Reichweite besitzen, ihre Inhalte und Zeit nicht mehr kostenfrei zur Verfügung stellen. Dieses System beutet Leute aus, es ist asozial und entfremdet uns von einander, anstatt Menschen zur Zusammenarbeit zu bewegen. Jeder arbeitet gegen jeden, Texte & Videos werden nur gelesen/gesehen, um Ideen abzugreifen und für die eigenen auszugeben. Copy & Paste dient nicht der Innovation, es schafft eine Verwässerung von Qualität zu Gunsten der Quantität. Wir werden als NutzerInnen flachen, ideologischen Inhalten ausgesetzt. Nach 5 Jahren YouTube sind die meisten SelbstgestalterInnen bewusst demonetarisiert und werden durch automatisierte KI-Kanäle mit viel platzierter Werbebotschaft zusätzlich zu den unfassbar vielen Advertising-Einschüben ersetzt, während die eigentliche Innovation außer Reichweite stattfindet, intransparenter als je zuvor. Nun hüpfen die geschädigten Kanalbetreiber frustriert und mannigfaltig zu Patreon, dort geht der Betrug weiter ... Die Portalbetreiber verdienen Millionen, während NutzerInnen kein privates Geld mehr verteilen können, um jedem guten Künstler oder YouTuber monatlich Zuschüsse zu überweisen. Man muss kein Mathematiker sein, um zu erkennen, dass dieses System wie ein Strukturvertrieb arbeitet: die Unterschicht rackert sich ab, die Oberen kassieren die Gebühren der Unteren und gehen am Jahresende auf ihre Vergnügungsjacht.

Das wäre eventuell nicht zu monieren, würden diese wenigen CEOs nicht unsere Arbeits- und Lebensbedingungen bestimmen. Diese Normalität, nach der wir uns nach dieser oder jeder weiteren Pandemie so sehnen, wird so nie mehr existieren. Die einflussreichsten Geldinstitute der Welt und verbündete Milliardäre, stellen sich, dank bester PR- und Imageagenturen, als außerirdische Zukunftsarchitekten im Netz dar, binden unsere jungen Menschen mit wundersamen Versprechen an sich, Teil dieser subversiven Kapital-Planwirtschaft zu werden. Ihr Ziel ist es, so viele wie nötig als digitale Diener für sich arbeiten zu lassen, während all jene, die außerhalb des Systems Internet stehen (wollen), Aussätzige, Abspalter und Dissidenten sein werden, denen eindeutig klar gemacht wird: entweder du machst mit, akzeptierst unsere Bedingungen oder du gehörst nicht mehr dazu und gehst zugrunde. Wer sich nicht den neuen Regeln anpasst, endet als Konsument mit Grundsicherung.

Ziel unserer journalistischen Intervention wird sein, Forschung & Technik voranzubringen, die uns Menschen realen Nutzen bietet, uns dient, das Leben erleichtert, aber uns nicht zum Einkaufssklaven degradiert oder unsere Mitlebewesen gefährdet. Wir sind nicht auf diesem einmaligen Planeten, um unser Dasein in einem LED-gefluteten "Work-Life-Balance" Home-Office-Glasklotz zu verbringen. Das Krankheitspotenzial bauen wir damit sogar weiter aus, unsere Körperabwehr bringen wir zum Erliegen, weil es 'Macher' antipathischer Großkonzerne sukzessive durchsetzen und suggerieren. Augenscheinlich kommt uns das alles neu und innovativ vor, kundenfreundlich und bequem, das Bestellen von Zuhause, das überbordende Online-Programm an Entertainment, Sex & Geldwetten, angeblich dezentralisierte Brainpools. Die Wahrheit ist, wer nicht bereits das Programm im Kopf hat, andere digital zu übervorteilen (siehe e-Commerce Coaching), steht auf der Liste der Unbrauchbaren. Dann wird die Sorge um Diskriminierung wegen einer Geschlechterzuordnung oder Hautfarbe unser geringstes Problem sein. So verliert die Menschheit den Kampf; unzählige, nicht ins Digitalsystem Assimilierte, werden keinen Zugang mehr zu Wasser, Nahrung und Energie haben. Millionen werden Opfer sein. Hinzu kommt, es wird nicht mehr, sondern viel weniger Kapital für Kleinunternehmen und soziale Diversität zur Verfügung stehen. Noch reicher werden all jene, die ohnehin bereits die Power am Markt haben und mit ihrem Geld ganze Staatsfunktionen aufkaufen oder Gesetze bestimmen. Das Weltwirtschaftsprinzip ist bereits zu mächtig, ist Widerstand oder Einflussnahme dennoch möglich? Jede/r Einzelne von uns muss sich ab morgen genau überlegen, ob er/sie aus Fun oder Trend, Plattformen stundenlang mit Inhalten versorgt, seine kostbare Lebenszeit verschwendet, um Mega-Systeme weiter zu stärken, statt an Alternativen zu arbeiten oder diese zu nutzen. Auch hier gilt das Prinzip der evolutionären Vielfalt der Möglichkeiten, die nicht nur für uns Technikfans wirklich humane, kreative Zukunftsszenarien entwickeln hilft, sondern die vielleicht sogar mehr Menschenleben rettet wird als je eine Viruspandemie gefährden könnte. 

Stay safe, stay smart and stay back from shallow, empty marketing promises - there is nothing magical in technology, it's just technology! Natur is magic and foundation of mankind.Technology serves nature - not the other way around.

Sobald wir es zulassen, dass wir der Technik dienen, die Technik aber nicht mehr uns, tragen wir Mitschuld an allem, was da kommen mag - wer dies abstreitet, verdient jetzt noch genug mit dem Trugbild der glorreichen Virtual Reality und KI, verleugnet aber die simple Vorgabe der Biologie, dass Menschen Erinnerung besitzen, Gefühle und Instinkte, die uns als komplexen Lebewesen nicht grundlos von der Evolution zur Verfügung gestellt werden.

Susan Ville