Wir befinden uns auf einem nicht-unparteiischen Social-Media Portal:
Profilnutzerschaft gehorcht dem Verhaltenskodex und ergreift Partei. Meldungen und Berichte mit abweichender Einschätzung von Norm, nicht im gleichen Maße abgebildet. Leider der Nachteil aller von Algorithmen gesteuerten digitalen Oberflächen. Der Portalbetreiber bestimmt, was im Display erscheint.
Der Anschlag der terroristischen Gruppierung Hamas auf Israelische Grenzgebiete nahe dem Gaza-Streifen ist weder für Intels noch Zivilisten eine überraschende Meldung. Statt sich nun wieder - wie
bei allen brisanten #Topics im Netz - auf eine Seite zu schlagen, weil sich das entweder besser verkauft oder persönlich wertiger anfühlt, schließe ich mich als Journalistin aus medialen
Schlammschlachten aus.
Meine Entscheidung, ohne Gewinn.
Ich habe als Fotografin selbst Krisensituationen erlebt: Am 16. Januar 1991 begann der zweite Golfkrieg. Legitimiert durch die Resolution 678 des UN-Sicherheitsrates. Kampfhandlungen zur Befreiung Kuwaits unter Kommando der USA setzten ein. In Amman begleitete ich zu dieser Zeit eine Studiengruppe - wir saßen wegen eines Terror-Anschlags nahe der Hauptstadt Tage in einem Hotel fest. Jordanien ist ein äußerst gastfreundliches Land, man legt großen Wert auf Sicherheit von Gästen, Medienvertretern und touristisch Reisenden. Uns wurden Sicherheitsbeamte der Königlichen Garde der Haschemiten zur Seite gestellt. Die best-ausgebildeten Sicherheitsbeamten der Welt. Dann Irak-Krieg 2003: US-Amerikanische Freunde und Kollegen gehen verloren, stellen sich gegen politische Beschlüsse, um Menschenleben zu retten. Es gibt für mich keinen Grund, nicht allen Seiten Gehör zu schenken. Unsere Welt ist zu dieser brandschatzenden, unmoralischen Abbildung geworden, weil das Eigeninteresse und die Arroganz überlegen zu sein, uns als Spezies weiter antreibt. Sieht also weniger gut aus, betreffend Klimaziel.
Wenn wir Fehler im System oder in unserer Prägung verändern wollen, sollten wir zuerst aus dem rückschrittlichen Dogma unserer Gruppe heraustreten, und Situationen nach Sachlage individuell bewerten. Denn in jeder Region dieser Erde leben Menschen, die sich nicht wehren, nicht twittern oder überhaupt irgendeine Meinung äußern können, weil ihr eigenes Leben oder das ihrer Familie auf dem Spiel steht. Genau in diesem Moment, versucht ein befreundeter, preisausgezeichneter investigativer Videojournalist seine eigene Familie aus der besetzten Zone Palästinas lebend herauszuholen. Er ist vor der Bedrohung einer Terrorgruppe geflohen, durfte aber Frau und Kinder nicht mitnehmen. In dieser Nacht könnten sie es nicht schaffen. Jede/r sollte zumindest versuchen, sich in diese Menschen hineinzuversetzen, bevor er oder sie wieder einmal mit digitalem Kalkül einer Maschine über Andere entscheidet, wie ein oberster Richter eigener Moral.
Ich habe viel gesehen. Vor allem die Realität. Kein Deepfake-Lächeln, echte Amputationen, durchgeführt an kriegsversehrten Kindern. Soldaten, die mir in sengender Hitze eine Wasserflasche vom
Panzer herunterreichten, ihre Haut verbrannt - das Lächeln echt. Ein Bäcker in Aleppo, der die Erschöpfung in meinem Gesicht liest, wie sein Backrezept, mir ein Fladenbrot durch die Gitterstäbe
seiner Ofen-Schutzsperre schiebt. In Syrien verbrachte ich wunderbare Momente im Jesuiten Kloster Deir Mar-Musa.
Das Zwiegespräch mit Padre Paolo Dall'Oglio veränderte mich. In
einfachsten Verhältnissen lebender italienischer Mönch, setzte sich 2012 nach dem Arabischen Frühling für die Bevölkerung und Menschenrechte ein, mit dem absoluten Vertrauen in Frieden - zwischen
Christen und Muslimen, zwischen allen Religionen, zwischen Kulturen und Abstammungen. Er wurde vom Regime Assad als Dissident ins Exil geschickt, und selbst dort forderte er die Freilassung zu
Unrecht Inhaftierter. Seinen letzten öffentlichen Appell richtet er an die Welt in einem TV-Interview mit dem US-amerikanischen Sender CNN.
2013 entführten ihn Terroristen des IS. Freunde in Italien, seine Familie, selbst Papst Franziskus als Ordensbruder, versuchten ihn mit Verhandlungsangeboten aus der Haft zu befreien. Padre Paolo
wird seit 2014 vermisst. Keine Geschichte zeigt so deutlich, wie wenig uns der Frieden wert ist. Wie wenig uns Leben wert ist. (**)
Die ersten 50 Einträge der Suchmaschine Google repräsentieren weder die realen Menschen, noch bilden sie eine ausgewogene Analyse von Daten aller Länder oder Kulturen der Welt ab. Mein Rat als
Journalistin ist daher, stets aus mehreren Konflikt-Bildwinkeln Quellen auszusuchen, auch mal ins Impressum zu schauen, wo z.B. eine NewsFeed-Agentur ansässig ist. Im Zweifel, Indentitäten von
Netzwerken prüfen (lassen). Selbst Presseagenturen wie Reuters, AP, AFP, DPA u.a. können an eine übergeordnete, politische Weisung gebunden sein, ob von der regierenden Partei oder Kapitalgebern.
Sie geben vor, dies nicht zu tun und dem Pressekodex zu folgen - leider zeigt sich die Realität von der dunkelsten Seite. Daher ist der Quellenvergleich das Mittel der Wahl, bevor man sich zu
Schlussfolgerungen oder persönlicher Neigung im Bericht hinreißen lässt.
Zu diesem Zeitpunkt warne ich ausdrücklich vor der 0-und-1 Methode der Digitalinformation.
Hier geht es um viel mehr als den Zeitvertreib mit Smartphone und Mikrowellen-Popcorn: nämlich weitere politische Eskalationen zu verhindern und Zivilbevölkerung zu schützen - auf allen Seiten einer Kriegsfront! Auch wertvolles Kulturgut, Schätze unserer Menschheitsgeschichte sind seit dem Zeitalter der Entwicklung komplexer Kampfstoffe, Bomben, Raketenwerfern unter ständigem Beschuss einer modernen Zivilisation, die sich in Kriegsführung verliebt hat und tatsächlich glaubt, dass virtuelles Tötungstraining für Soldaten in anderer, bunter Verpackung heute zur Charakterbildung unserer Kinder gehört.
Ist auch nicht damit getan, dass wir bei Steak und Bier unsere Vorurteile oder Kampfparolen per Messenger-Talks austauschen oder Ängste schüren. Jede nicht gepostete Provokation kann tatsächlich Leben retten. Gerade, wenn man weder selbst an einer Front je im Einsatz war, oder die vielschichtige Verknüpfung globaler, moderner Handelsverträge sowie Kriegsführung nur von Aufschneider-"OSINT"-Kanälen auf YT erlernt hat. Agitatoren – egal, welcher Gesinnung, verdienen in meinen Augen keine Lobpreisungen unserer Gesellschaft mit Herzchen, Sternen und Däumchen; sie sind mit hetzerischen Kommentaren ein Teil der Schuld. Der gleichen Schuld, die wir Deutschen aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts kennen, Menschen bespucken, verbal abzeichnen, mit dem Unterschied, dass gelbe Sterne damals zur Deportation führten.
Heute denken wir vor unseren Bildschirmen nur an Schlagworte oder die Marktlage eines Trend-Coins. Selbst Forschung und Wissenschaft lassen sich von Narrativen verführen; und leider von
politischer Hand. Die angeblichen Solidaritätsbekundungen für Israel nach dem Terroranschlag der Hamas: In meinen Augen eine Fehlentscheidung und diplomatisches Versagen der
Forschungsgemeinschaften in Deutschland. (*)
Nicht mehr umkehrbar, wird diese Publikation fatale Folgen für das Zusammenleben nicht nur im eigenen Land haben. Gerade Wissenschaft sollte stets im Dienste aller Menschen als Fürsprecher der
Zivilbevölkerung und Menschheit im Allgemeinen stehen. Es ist selbstverständlich, dass man Terror und Verbrechen in einer Demokratie ablehnt. Dazu bedarf es keiner nachdrücklichen Bekundung. Das
Israelische Volk verdient jeden möglichen Schutz und humanitäre Hilfe, aber keine Solidaritätsbekundungen mit einer äußerst zweifelhaften Regierungsspitze. Das sollten wir gerade als Deutsche
verinnerlicht haben und sehr vorsichtig sein, "Schulterschlüsse" mit Regime-Führern zu publizieren, die nachweislich in mehreren Fällen der Korruption überführt wurden, Menschen- sowie
Arbeitsrechte verletzen.
Für mich gibt es keinen Zwang, auf einer Seite der Wahrnehmung zu stehen. Menschen mit palästinensischer Identität müssen gehört und in der Weltgemeinschaft mit gleichem Recht wahrgenommen
werden. Seit Generationen nähren unrechtmäßige Annektierungen von immer mehr Grund und Boden den Frust der Gemeinschaft. Politische Klassenunterschiede, Unterschiede im Arbeitsvertragsrecht und
hohe Jugendarbeitslosigkeit lähmen jede Bemühung, mit dem Nachbarn in Frieden zu leben. Zorn wächst auch, weil die Welt alle Anzeichen und schleichendes Unrecht einfach aus den Suchmaschinen
ausblendet. Google säubert unsere Geschichte und zerstört das ethische Fundament von Gesellschaften. Ein weiterer Grund, wieso es widersinnig ist, ein World Wide Web von nur 1 Nation
leiten zu lassen, eine Nation, die News-Algorithmen mit Intransparenz kontrolliert, sodass sogar die Gründer aus Silicon Valley – wie Jaron Lanier, die verheerende Entdemokratisierung der virtuellen Welt in Büchern schildern. Digital-juristische Absurdität gipfelte
2022 in der Partnerschaft des International Criminal Court von Den Haag mit
Microsoft.
Ist das nun eine anti-amerikanische Äußerung und verdient das Stummschalten? Ist die Annahme, dass ein Regime eben keine kongruente Abbildung seines Volkes darstellt – antisemitisch? Wahrheit
schmerzt nur dann, wenn Unrecht nie zur Sprache kommt. Der absolute Anti-Codex freier Presse und Meinungsäußerung zeigt sich seit 2020 in allen Bereichen des Internets. Propagandaminister sind
alt wie zwei Weltkriege, verändert hat sich nur die geopolitische Lage und die Datenanalyse oszilliert wie magnetische Felder der Erde. Nach Auswertung von Partei X wechselt die Front, bis Partei
Y das Finanzbudget erhält. Dann ändert man hurtig das Unternehmenslogo von Twitter zu X und Corporate Identity wie die Agenten ihre Pässe. Die wahren Opfer bleiben: unzählige Zivilisten,
Millionen korrumpierte Diensthabende, von Mega-Imperien beauftragte, manipulierte Digitalmedien.
Man kann auf einem Auge blind, gut zurechtkommen. Wenn sich aber niemand mehr verantwortlich fühlt, alles nur noch ein virtuelles Spiel um Geld, Macht und Eitelkeit ist, stirbt alles, wofür mutige Menschen in zwei Weltkriegen und allen Kriegen davor und danach ihr Leben gegeben haben.
Aufrichtigkeit ist nicht gebunden an ein Land, an einen Glauben oder eine Erkenntnis. Ein gläubiger Jude, Christ oder Muslim trägt niemals die Generalschuld für Verbrechen seiner Extremisten.
Verabschieden wir uns also von dem verführerischen Gedanken, dass wir so bleiben müssen wie wir sind, weil es ohnehin unsere Natur sei. Jede Nacht, wenn ein Kind schreiend aus seinem Alptraum
aufwacht, erinnert an Bombenhagel und Geschützfeuer eines Krieges - erwacht mit ihm, das kalte Herz des Terrors.
Inzwischen haben wir gute Nachrichten aus dem Wissenschaftsressort: Epigenetische Veränderung kann sich tatsächlich im Erbgut weiterer Generationen manifestieren. Die Hoffnung stirbt also nie.
Das despotische Unrecht eines Anführers und seiner zahlreichen Anhängerschaft bestimmt uns, weil wir es so wollen. Terror kann besiegt werden, wenn wir die Grundlagen für Anerkennung eines
Menschen, Bildung und die Zuversicht auf Arbeit in Würde schaffen. Für möglichst Viele unserer Spezies - homo sapiens (hoch2).
Was vergeben deutsche Institute, Unternehmen und Volksvertretungen, was verlören sie eigentlich, würden sie sich in solch' schwierigen Konflikten einfach dafür entscheiden, ihrem
humanistischen Leitsatz zu folgen, statt geopolitischem Kalkül als Werbemittel der Neuzeit?
Zu den Leitlinien meiner Definition von Ethik in unserer Zeit gehört dies. Man darf niemals einer höheren Doktrin sein Gewissen opfern. Bis auf Weiteres werde ich daher meine News-Feeds aus Forschung und Wissenschaft von meiner Homepage entfernen. Ich stehe für Promo von Machthabern nicht zur Verfügung, auch nicht aus historischer Bringschuld - oder gerade deshalb nicht. Ich stehe als Journalistin für den Menschen ein, der lebt, kämpft und leidet, um all die Defizite auszugleichen, die ihm das Leben unterhalb der Macht beschert (hat).
Forschung sollte politisch neutral sein, und wenn noch irgend möglich, Ergebnisse und Daten nicht an Kapitaleinlagen messen. Dann wären wir bereits auf dem Weg in eine real bessere Zukunft.
Dass die Fütterung von Kriegstreibern übrigens eine Kontraindikation für den Klimaschutz darstellt, kann ich auch nirgends lesen – man findet in unseren ÖR-TV-Sendern tatsächlich
nur seichte Zurechtweisungen an russische Treibhausgaslieferanten, aber keine sensorischen Daten zu Verpuffung von Sprengstoffen, Bomben- und Mienenschäden an Tieren und Umwelt durch
internationale Waffenlieferungen. Wieso wohl nicht? (***)
In einigen Jahren wird man wieder jammern, über die ökologischen Schäden an der Küste von Gaza.
Keiner wird dann vom kollektivem Versagen der Weltgemeinschaft sprechen. Das binäre Pro-Contra-Spiel wird weitergehen. Keiner hat davon einen Nutzen. Tote Kinder zählt man immer nur einmal.
Wir sind alle für humanitäre Krisen als Nährboden der modernen, asymmetrischen Kriege und ausufernde Gewalt verantwortlich, gerade, wenn wir behaupten, in einem digitalen Netz an Kommunikation
und Verständigung zu arbeiten. Dieses Netz betreiben wir nun seit mehr als 20 Jahren, verschanzen uns hinter Profilbotschaften, in Filterblasen und Echokammern unserer materiellen Sehnsüchte und
missachten dabei das Gesetz der Nächstenliebe. Mitgefühl, Zivilcourage … unsere Kinder mit der wichtigsten Bildung des Charakters auszustatten, das leistet nur die Realität. Das Leben schwebt
nicht zwischen Künstlicher Intelligenz und der Cloud. Es beginnt und endet ohne sie.
Text: Susan Ville
Fußnoten:
(*) Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen ist ein Zusammenschluss der bedeutendsten Wissen-schaftsorganisationen in Deutschland. Sie nimmt regelmäßig Stellung zu wichtigen Fragen der Wissenschaftspolitik. Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina ist Mitglied der Allianz und hat für 2023 die Sprecherrolle übernommen. Weitere Mitglieder sind die Alexander von Humboldt-Stiftung, der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Helmholtz-Gemeinschaft, die Hochschulrektorenkonferenz, die Leibniz-Gemeinschaft, die Max-Planck-Gesellschaft und der Wissenschaftsrat. Solidatität mit Israel
(**)
Padre Dall’Oglio, la capacità di entrare nel cuore delle persone
Il coraggio, l'apertura al dialogo con l'Islam, la tensione all'accoglienza dell'altro: tratti caratteristici del gesuita scomparso in Siria dieci anni fa, di cui si è parlato in Cattolica alla presentazione del libro a lui dedicato.
(***)
Susan's world in images